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Vorrang des EU-Rechts (Vorrangigkeit, Vorrangstellung)

Der Grundsatz des Vorrangs (auch als „Vorrangigkeit“ oder „Vorrangstellung“ bezeichnet) des Rechts der Europäischen Union (EU) gründet auf der Idee, dass im Falle eines Konflikts zwischen einem Aspekt des EU-Rechts und einem Aspekt des Rechts in einem EU-Mitgliedstaat (nationales Rechts) das EU-Recht Vorrang hat. Wenn dies nicht der Fall wäre, könnten die Mitgliedstaaten ihr nationales Recht ganz einfach dem Primär- bzw. Sekundärrecht der EU vorziehen, wodurch die Umsetzung der EU-Politik undurchführbar wäre.
Der Grundsatz des Vorrangs des EU-Rechts hat sich im Laufe der Zeit anhand des Fallrechts (Rechtsprechung) des Gerichtshofs der Europäischen Union entwickelt. Er ist nicht in den EU-Verträgen verankert, dem Vertrag von Lissabon ist diesbezüglich lediglich eine kurze Erklärung beigefügt.
In der Rechtssache Van Gend en Loos gegen Nederlandse Administratie der Belastingen (Rechtssache 26/62) erklärte der Gerichtshof, dass die von den EU-Organen erlassenen Rechtsvorschriften Rechtsansprüche begründen können, die sowohl von natürlichen als auch juristischen Personen vor den Gerichten der Mitgliedstaaten geltend gemacht werden können. Das EU-Recht hat somit unmittelbare Wirkung.

In der Rechtssache Costa gegen ENEL (Rechtssache 6/64) baute der Gerichtshof auf dem Grundsatz der unmittelbaren Wirkung auf und vertrat die Auffassung, dass die Ziele der Verträge untergraben würden, wenn das EU-Recht dem nationalen Recht untergeordnet werden könnte. Da die Mitgliedstaaten bestimmte Befugnisse auf die EU übertragen haben, schränken sie ihre souveränen Rechte ein. Damit die EU-Normen wirksam sind, muss ihnen Vorrang vor allen Bestimmungen des nationalen Rechts, einschließlich der Verfassungen, eingeräumt werden.
Weitere Beispiele von Rechtssachen, in denen der Vorrang des EU-Rechts vom Gericht bestätigt wurde:

  • Internationale Handelsgesellschaft mbH gegen Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel (Rechtssache 11/70)
  • Amministrazione delle Finanze dello Stato gegen Simmenthal SpA (Rechtssache 106/77)
  • Marleasing SA gegen La Comercial Internacional de Alimentacion SA (Rechtssache C-106/89)

In diesen Rechtssachen hat das Gericht darauf hingewiesen, dass der Vorrang des EU-Rechts auf alle nationalen Rechtsakte anzuwenden ist, ob diese nun vor oder nach dem betreffenden EU-Rechtsakt angenommen wurden. Wenn EU-Recht Vorrang vor entgegenstehendem nationalen Recht hat, werden die nationalen Bestimmungen nicht automatisch annulliert oder außer Kraft gesetzt. Die nationalen Behörden und Gerichte müssen sich jedoch weigern, diese Bestimmungen anzuwenden, solange die vorrangigen EU-Normen in Kraft sind.

Der Grundsatz des Vorrangs soll dafür sorgen, dass die Menschen vom EU-Recht gleichmäßig im gesamten EU-Hoheitsgebiet geschützt werden.
Es ist anzumerken, dass der Vorrang des EU-Rechts nur dort gilt, wo die Mitgliedstaaten ihre Souveränität an die EU abgetreten haben – Bereiche wie der Binnenmarkt, Umwelt, Verkehr usw. Er gilt jedoch nicht für Bereiche wie Bildung, Kultur oder Tourismus.

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